Fritz Erler

Schwarzer Pierrot, 1908
Öl auf Leinwand
206 x 198 cm
Inv.-Nr.: KS-Gemälde MA 221

Provenienz

1904 vom Künstler in die 9. Ausstellung der Berliner Secession als Der Fechter eingeliefert | bis 1908 Fritz Erler, München | 1908 Übermalung als Auftragsarbeit für das Faschingsfest 1908 des Neuen Vereins, München (Schwarzer Pierrot) | 1909 – mindestens 1910 Moderne Galerie, München (Heinrich Thannhauser) | vermutlich 1952 Überweisung an die Nationalgalerie, Berlin | Übernahme durch die Akademie der Künste, Berlin

Der Maler, Grafiker und Bühnenbildner Fritz Erler erhielt im Jahr 1908 den Auftrag, zwei monumentale Werke für das Karnevalsfest des Neuen Vereins in München herzustellen. Es entstand neben dem Gemälde Der Goldregen der rund 2 mal 2 Meter große Schwarze Pierrot, dessen Rahmen vermutlich ebenfalls von Erler entworfen wurde.

Einen ersten Besitznachweis für das Gemälde liefert die Zeitschrift Die Kunst für Alle aus dem Jahr 1909, in der das Werk mit dem Hinweis „Original in dem Besitz der Modernen Kunsthandlung, München“ abgebildet ist. Die Galerie wurde 1904/05 von Franz Josef Brakl und Heinrich Thannhauser in der Goethestraße 64 eröffnet. Schon in der ersten Ausstellung wurden neben den älteren Künstlern der Münchner Künstlergenossenschaft vornehmlich Mitglieder der Münchener Secession und Mitglieder der Scholle ausgestellt. Zum Zeitpunkt der Publikation befand sich die Galerie in Auflösung. Die Kunsthändler eröffneten jeweils eigene Unternehmen: Brakls Moderne Kunsthandlung bzw. die Galerie Thannhauser. Seit 1910 wurde ferner für Erlers Werke ein ständiger Ausstellungsraum in der Modernen Galerie Heinrich Thannhauser in München reserviert. 1910 ist der Pierrot im Katalog der Modernen Galerie aufgeführt. Heinrich Thannhauser stammte aus einer jüdischen Familie. Bei der Flucht vor den Nationalsozialisten in die Schweiz verstarb er 1934 nach einem Schlaganfall. Sein Sohn Justin Thannhauser führte das Geschäft mit Dependancen in München, Luzern und Berlin zunächst erfolgreich weiter. Zwar gelang ihm 1937 die Flucht nach Paris und später nach New York. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten jedoch sämtliche zurückgelassene Kunstbestände. Wie lange der Pierrot im Besitz der Modernen Galerie war, konnte bisher nicht ermittelt werden.

Diese Verwandlung ist bemerkenswert. Bei der Autopsie der Rückseite des Gemäldes fiel ein Aufkleber der Berliner Secession auf. Unter der Nummer 52 wurde allerdings Fritz Erlers Gemälde Der Fechter in den Katalog der neunten Ausstellung der Berliner Secession von 1904 aufgenommen. Bald nach der Entstehung verlor sich jede Spur des Fechters. In der Forschung galt das Werk als verschollen. Erst im Zuge der Provenienzrecherchen konnte festgestellt werden, dass Erler den Fechter übermalte und so in einen schwarzen Pierrot verwandelte.

Neben kunsttechnologischen Untersuchungen verdeutlicht der direkte Vergleich des Gemäldes mit einer überlieferten Abbildung des Fechters formale Ähnlichkeiten und klare Übereinstimmungen: So fällt unmittelbar der Ausfallschritt der beiden Protagonisten auf. Der Pierrot scheint in einer Tanzbewegung zu verharren. Der Fechter nimmt hingegen mit gleicher Haltung eine Grundstellung ein. Auch die Wolkenformation im Bildhintergrund ist identisch. Bei genauerer Untersuchung des Pierrot-Gemäldes sieht der Betrachter zudem Spuren eines erhobenen Säbels in der linken oberen Bildhälfte. Der Fechter taucht noch einmal auf dem Titelblatt des zweiten Bandes der Zeitschrift Jugend - Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben im Jahr 1905 auf. Anschließend wurde der Fechter ˗ vermutlich auf Grund schlechter Kritik ˗ vom Künstler selbst zerstört und die Leinwand mit dem Pierrot für das Karnevalsfest versehen.

Erler trat 1899 als Gründungsmitglied der Künstlergruppe Die Scholle bei. Seine Erfolge als offizieller Militärmaler und Plakatkünstler während des Ersten Weltkrieges und als begehrter Porträtist zur Zeit des Nationalsozialismus führten dazu, dass ein bedeutender Teil seiner Werke von den Alliierten beschlagnahmt und zum Teil zerstört wurde.

Auffällig ist ferner ein Hängeetikett auf der Rückseite des Werkes. Darauf wurde vermerkt: „Erler – ‚Pierrot‘ – von Akademie d. Künste - überwiesen 15.11.51“. Von 1952 bis 1993 befand sich das Gemälde nachweislich in der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB). Im Jahr 1993 erhielt die Akademie Werke von der Nationalgalerie zurück, die einst als Leihgaben oder zur Aufbewahrung übergeben wurden. Innerhalb der „Leihnahmen von der Akademie der Künste – Zusammenstellung nach dem Bestandskatalog Malerei 19. Jh.“ ist unter Nummer 6 das Werk von Erler verzeichnet. In den Akten des SMB-Zentralarchivs Berlin wird eine Übergabe des Gemäldes an die Nationalgalerie um das Jahr 1952 dokumentiert. Es wurde vermutlich 1952 vom Magistrat von Groß-Berlin im Zuge der Räumung eines Gebäudes in der Behringstraße (Baumschulenweg) aufgefunden und der Nationalgalerie zur „Sicherstellung“ überwiesen. Welches Gebäude gemeint sein könnte und, ob es sich um ein Depot für Kunstwerke, ein Firmengebäude oder Privathaus handelte, konnte noch nicht in Erfahrung gebracht werden.

Es ist ein Werk voller Widersprüchlichkeiten. Hier besteht weiterer Recherchebedarf.

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