Ludwig Meidner

Porträt Johannes R. Becher, 1916
Öl auf Leinwand
66 x 61 cm
Inv.-Nr.: KS-Gemälde E 12

Provenienz

1919 Graphisches Kabinett Neumann, Berlin / I.B. Neumann Berlin | seit 1919 – mindestens 1932 Rudolf Ibach, Wuppertal (erworben im Graphischen Kabinett) | bis 09.09.1952 Alfred Klinkmüller, Berlin (West) | 09.09.1952 Ankauf durch die Akademie der Künste, Berlin (Ost)

Die Freundschaft zwischen Johannes R. Becher und Ludwig Meidner währte von 1914 bis 1923. Nächtelang hätten sie zusammen in Meidners Atelier in der Motzstraße Fragen und Probleme, die sie bewegten, diskutiert. Becher sei zwar sieben Jahre jünger gewesen, doch wie verwandt mit ihm. So berichtete es Meidner dem Verlag der Künste im Jahr 1962.

Als Maler, Grafiker und Dichter hatte er viele Bekanntschaften mit anderen Künstlern und Literaten des Expressionismus geknüpft und wurde ein bedeutender Porträtist der Weimarer Republik. Während des Nationalsozialismus war ein künstlerisches Wirken für ihn nicht mehr möglich. In der Ausstellung Entartete Kunst hingen 1937 zahlreiche seiner Werke. Um den antisemitischen Repressionen zu entgehen, floh Meidner 1939 mit seiner Familie nach England. 1953 kehrte er nach Deutschland zurück und versuchte seine Karriere als Künstler wieder aufzunehmen.

Den ersten Hinweis auf einen möglichen Vorbesitzer des Porträts von Johannes R. Becher offenbart die Rückseite des Gemäldes, auf der das handschriftliche Kürzel „IBN“ vermerkt ist. Dieses steht nicht, wie zunächst vermutet, für „Johannes-Becher-Nachlass“ in der Akademie der Künste, sondern für die Initialen des jüdischen Kunsthändlers Israel Ber Neumann, Inhaber des Graphischen Kabinetts in Berlin seit 1910. Karl Nierendorf übernahm 1924 das Berliner Kabinett, nachdem Neumann in die USA übergesiedelt war. Auf einem Selbstporträt von Ludwig Meidner, das sich in der Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin befindet, stehen rückseitig exakt die gleichen Initialen. Überdies ist das Werk in Lothar Briegers Monografie über Ludwig Meidner, die in der Reihe Junge Kunst 1919 erschien, abgebildet und Neumann als Besitzer ausgewiesen.

Von I.B. Neumann soll der Klavierbauer und Kunstsammler Rudolf Ibach (1873–1940) aus Wuppertal das Gemälde im Winter 1918/19 erworben haben, vermutlich im Zuge einer Ausstellung im Graphischen Kabinett. Die Klavierfabrik Ibach kam um 1930 in eine wirtschaftliche Notlage. Um seine Firma vor dem Bankrott zu bewahren, veräußerte Rudolf Ibach Teile seiner Kunstsammlung. Im heutigen Familienarchiv Ibach lagert ein Sicherungsübereignungsvertrag einer Bank aus dem Jahr 1932, in dem sein damaliger Kunstbesitz aufgelistet ist. Das Familienarchiv ist noch nicht vollständig erschlossen, und ob Meidners Werk in dieser Zeit veräußert wurde, konnte im Projektzeitraum nicht überprüft werden. Der bisher letzte Besitznachweis Ibachs ist einem Ausstellungskatalog von 1932 zu entnehmen.

Für die Ausstellung Alte und neue Malerei aus Privatbesitz im Barmer Kunstverein im Januar 1932 stellte er das Becher-Porträt leihweise zur Verfügung. Das Werk könnte demnach ebenso 1940 an Ibachs Tochter Etta Stangl (1913–1990) vererbt worden und wie andere Teile der Sammlung in Familienbesitz verblieben sein. Diese hatte 1947 den Grundstock für die Galerie Etta und Otto Stangl gebildet, die zu einem der wichtigsten Treffpunkte von Avantgardekünstlerinnen und -künstlern wurde.

Die Dokumentation im Inventarbuch des Archivs der Akademie der Künste (Ost) überliefert einen Ankauf von „Alfred Klinkmüller aus Berlin-West für DM 2.550,-“ am 9. September 1952. Der Berliner Maler und Restaurator Alfred (Fred) Klinkmüller (1912–1977) hat bei Max Kaus an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst studiert. Sein Name taucht auch im Zusammenhang mit der Bergung von Kulturgut nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Aus dem Fritz-Cremer-Archiv der Akademie der Künste geht etwa hervor, dass Klinkmüller 1945 einen Teil der Werke von Cremer aus der Berliner Hochschule für Bildende Künste sicherstellte. Mit Klinkmüllers Unterstützung wurden diese 1947 in der Galerie Franz in Berlin ausgestellt. Ankaufsakten des hausinternen Archivs aus dem Jahr 1951 belegen Angebote von Kunstwerken durch Klinkmüller.

Im Johannes-R.-Becher-Archiv wird ein Brief von Rudolf Engel, Direktor der Deutschen Akademie der Künste, aus dem Jahr 1952 verwahrt, in dem er Becher darauf hinweist, dass die Akademie sich viele Jahre bemüht habe, sein Jugendporträt des Malers Meidner zu erwerben, jedoch erneut scheiterte. Wann Alfred Klinkmüller das Werk erwarb und ob er es der Akademie 1952 lediglich als Kommissionär vermittelt hat, bleibt weiterhin offen. Denkbar wäre auch, dass es im Kontext der „Bergung“ von Kulturgut in der Nachkriegszeit durch die Verbindungen zur beim Magistrat von Groß-Berlin angesiedelten Zentralstelle zur Erfassung und Pflege von Kunstwerken in seinen Besitz gelangte.

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